Montag, 9. Februar 2009

Teil 3: Zwischen Leichtsinn und Paranoia – Die Gefahrenlage

Kriminalität ist in Kapstadt allgegenwärtig. Es vergeht kein Tag, an dem man nicht mit diesem Thema konfrontiert wird. Man muss nicht erst die rechte Spalte einer Lokalzeitung lesen, um von den neuesten Übergriffen zu erfahren. Überfälle und Einbrüche sind Thema auf jeder Party. Und jeder kennt jemanden, dem irgendetwas passiert ist. Die kleinste Unachtsamkeit wird zur kriminogenen Situation. Ein Beispiel: Ein Kid aus New York saß gemütlich im Garten, während die Einbrecher in das Haus einbrachen und sein Zimmer ausräumten. Sein Fehler: Er hatte seine Zimmertür nicht abgeschlossen.

Der Klassiker sind allerdings Autoeinbrüche. Eine Freundin meiner Mitbewohnerin war für einige Stunden bei uns zu Besuch. Währenddessen wurde ihre Seitenscheibe eingeschlagen und Geld entwendet. Ihr Fehler: Obwohl das Geld nicht sichtbar verstaut war, hatte sie ein Surfbrett auf dem Dach und ihre Surfausrüstung im Auto gelassen (die allerdings nicht geklaut wurde). Der Dieb wurde aufmerksam und dachte wohl, dass es dort etwas zu holen gibt. Einem anderen Mitbewohner eines Bekanntem haben Diebe die Scheibe eingeschlagen, um seine Schuhe aus dem Kofferraum zu klauen. Fazit: Selber schuld. Eine der ersten Regeln, die man hier lernt, ist es keinerlei Wertsachen im Auto zu lassen.


Klassisches Bild: Die eingeschlagene Seitenscheibe

Die Gründe für die hohe Krimalitätsrate sind augenscheinlich. Jeder Vierte in diesem Land hat keinen Job, jeder dritte ist HIV-infiziert. An Kapstadts feinen Stränden in Camps Bay protzen die Villen von den Hängen des Tafelbergs, während im Anflug auf das Kap fast über die Dächer der Wellblechhütten der Townships schrabbt. Die kriminelle Apartheidregierung, die bis 1994 knapp 50 Jahre an der Macht war, hat durch ihre Enteignungen und Diskriminierungen tiefe Furchen in der Gesellschaft hinterlassen und die Hemmschwelle zur „informellen Umverteilung des Wohlstandes“ herabgesetzt.

Die logische Konsequenz. Alles Wertvolle kommt hinter Schloss und Riegel. Fast sämtliche Häuser sind mit Mauern, Stacheldraht, Krähenfüßen und Gittertüren und -fenstern ausgestattet. Wer in mein Zimmer gelangen will, muss innerhalb von zwei Minuten vier Schlösser überwinden. Schafft er dies nicht, ist innerhalb von zwei Minuten ein privater Sicherheitsdienst da.

Hinter Gittern: Blick aus meinem Zimmerfenster



Hochsicherheitstrakt - Blick von unserem Dach richtung Nachbarschaft

Das Thema Sicherheit wurde auch bei der Orientierungswoche an der UCT ausführlich behandelt. Bei einem Blick in die Broschüre zum Verhalten gegenüber Kriminellen kann einem Angst und Bange werden, welche Gefahren dort draußen lauern. Wie man sich zu verhalten hat, wenn man mit Waffen bedroht wird, steht dort. Wie man sich gegenüber „Hijackern“ (bewaffnete Autodiebstähle z.B. an Ampeln) zu schützen hat und was Frauen im Falle einer Vergewaltigung mit ihrer Kleidung tun sollte.

Allerdings kann man getrost Entwarnung geben. Die UCT ist einfach sehr um die Sicherheit der Studenten bemüht. Mehrere Sicherheitsstreifen patrouillieren täglich auf dem Campus, es gibt eine Vielzahl von Notrufsäulen und auch an unserem Haus kommt dreimal am Tag ein Sicherheitsmann vorbei und fragt, ob alles in Ordnung ist.

Auf die latente Gefahr reagieren die Menschen hier völlig unterschiedlich. Mir ist ein Fall bekannt von einem einheimischen Mädchen, das jedes Mal den Sicherheitsdienst durch ihre (ohnehin dreifach abgesicherte) Wohnung schickt, bevor sie hinein geht. Viele Kapstädter meiden jegliche öffentlichen Verkehrsmittel, weil sie in den 90er Jahren als gefährlich galten. Dass sch seither einiges getan hat und Kriminalitätsraten in Bussen und Zügen deutlich zurückgegangen sind, ignorieren sie. Meine Mitbewohnerin Lara hat mir am ersten Tag gesagt „Südafrikaner sind paranoid, Touristen sind leichtsinnig. Man muss schauen, dass man einen Mittelweg findet.“ Ich denke, das beschreibt die Lage ganz gut.

Unter dem Strich ist Kapstadt eine der sichersten Großstädte Afrikas und auch wenn Übergriffe im näheren Umfeld passieren, die meisten Leute, mit denen ich bisher gesprochen habe, sind unversehrt geblieben. Viele Teile Kapstadts sind aufgrund der massiven Sicherheitsaufewnungen so sicher wie viele europäische Städte. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden ist zwar höher als anderswo, aber immer noch gering. Und man kann sie minimieren, wenn man sich adäquat verhält.

Deshalb halte ich mich an die Regeln. D.h. Ich schließe stets meine Zimmertür ab, schaue mich um, bevor ich mein Haus betrete, laufe nachts nicht alleine abseits der Hauptstraßen, meide öffentliche Verkehrsmittel und Mini-Taxis nach Sonnenuntergang und habe immer nur wenig Geld (ca. 16 Euro) und ein billiges Handy (30 Euro) dabei für den Fall, dass ich ausgeraubt werde. Und wenn trotzdem eines Tages der Messermann vor mir stehen sollte, werde ich ihm brav meine wenigen Besitztümer geben. Neu ist dass dann nicht, schließlich habe ich ja auch schon in Deutschland Leute bezahlt, die mir körperliche Gewalt angedroht haben. In Kapstadt wird das Geld dann halt nicht auf dem Konto meines Vermieters landen, sondern in die Umverteilung des Wohlstandes nach unten fließen. Die Mieten in Kapstadt sind nämlich verdammt niedrig.


Randnotiz:

Pressemitteilung: "Ein riesiger Markt"- Xime sieht Potential für Nitzer Security

Der Mediadienstleister Ximedia AG sieht große Chancen für eine Expansion der Nitzer Security auf den afrikanischen Kontinent. "Der Sicherheitsbereich ist ein riesiger Markt, die Nachfrage schier unbgrenzt. Mutige Investitionen in eine Außendenststelle in Südafrika würden aus meiner Sicht mit einem schnellen Break Even belohnt", sagte Geschäftsführer Xime.

Seit etwa sieben Jahren ist die Nitzer Security auf dem heimischen Markt vertreten. Auch der Sprung ins europäische Ausland im Juni sei geglückt. Dass sich 'NiSec' auf dem Weltmarkt behaupten könne, steht für Xime außer Frage. "Mit seinem exzellenten Know-How und seinem energischen Auftreten hat Nitzer die besten Voraussetzungen, den südafrikanischen Bürgern ihre Verunsicherung zu nehmen", so Xime.

1 Kommentar: