Samstag, 4. April 2009

Gefangen im Teufelskreis des Rassismus

An einem Wochenende war mal wieder eine Poolparty. Ist hier nichts besonders, da einige internationale Studenten fuer Schleuderpreise in aufgeblasenen Villen untergeracht sind. Gegen Mitternacht kam dann, was kommen musste: Der erste sprang vom Hausdach in den Pool (nein, nicht ich!), etliche andere folgten (nein, auch da war ich nicht dabei) und die letzte, die Sprang war ein American Girl, oben ohne, weil sie ihr Kleidchen nicht nass machen wollte (nein, auch das war ich nicht, da war ich schon weg). Ein Mitbewohner von mir versteckte dann ihr Kleid hinter einem Blumentopf, sodass sie kurzerhand einen Stadtplan von Kapstadt als ihr neues Obenrum installiert. Alles nur eine Randnotiz.

Jedenfalls kam Erzaehlungen zufolge irgendwann der Besitzer des Hauses, beendete die Party und mit einem Mal entstand auf der engen Zufahrtsstrasse zu dem Haus eine Autoschlange, an der sich Fussgaengermassen vorbeiquetschen mussten. Und dann geschah, was ich nur aus Augenzeugenberichten rekonstruieren kann. Ein Schwarzer (Wise), aus der Gruppe, mit der ich an dem Abend auch unterwegs war, wurde von einem der in der Schlange stehenden Autofahrer bezichtigt, im Vorbeigehen an sein Auto gehauen zu haben. Passiert ist nichts und Wise sagte mir spaeter, er habe auch gar nichts gemacht. Der (weisse) Autofahrer bruellte dem sich auszer Rufweite befindendenen Wise irgendetwas Rassistisches nach. Lolli (auch schwarz, auch eine aus der Gruppe) hoerte das, wurde wuetend und wollte den Autofahrer zur Rede stellen. Dieser hatte jedoch sein Fenster hochgekurbelt und die Tuer verriegelt.

In dem Moment stieg die Freundin des Autofahrers aus und versuchte die aufgebrachte Lolli wegzuschicken. Nach einem kurzen Disput konnte Lolli nicht mehr an sich halten und schlug vor den Augen des voellig ueberforderten und konsterniert am Lenkrad sitzenden Autofahrers seiner Freundin dreimal "auffe Fresse".

Das westliche Kap gilt eigentlich als die Region Afrikas, in der knapp 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid die Vermengung der vielfaeltigen Ethnien am besten funktioniert. Oder vorsichtiger formuliert: in der ein friedvolles Zusammenleben am ehesten moeglich ist. Der Fall Lolli und der Autofahrer zeigt nämlich, dass nach wie vor Ressentiments bestehen und dass vor allem die schwarze Bevoelkerung nach Jahrzehnten des politisch forcierten Rassismus extrem empfindlich auf (offene) Anfeindungen reagiert. Auch im politischen Diskurs wird bei allzu harscher Kritik an der vor allem von Schwarzen gewählten Regierungspartei ANC - die eine Zweidrittelmehrheit innehat - die Moralkeule herausgeholt und der Vorwurf des Rassismus gegenüber schwarzen Regierungsvertretern erhoben.

Auch Bussie und Michelle (siehe Bilder) sehen sich auch nach dem Ende der Apartheid ständig im Bann des Rassismus. Ich habe sie in meiner zweiten Woche hier in Kapstadt in einer Bar getroffen. Wir haben uns gut verstanden und als ich irgendwann kein Geld mehr hatte haben sie mir 100 Rand in die Hand gedrückt und mich ein wenig im Kapstädter Nachtleben umhergefahren. Einige Wochen später habe ich sie dort wieder getroffen und sie haben sich zu mir und einigen Freunden an den Tisch gesetzt. Darunter war auch eine weiße Südafrikanerin, von deren Blicken Bussie und Michelle ablasen, dass sie nicht willkommen sind. Bussie's Reaktion: "Hey, du hast ein Problem mit uns, oder?" Claire (völlig verdutzt):"Nein, nein, wir kommt ihr darauf?" Bussie: "Ich seh dir das doch an." Claire sagte daraufhin nichts mehr und verließ wenig später sichtbar verärgert den Tisch.

Allerdings ist das Thema Xenopobie in Südafrika nicht nur schwarz-weiß. Zehn Prozent der Bevölkerung sind so genannte"Coloureds" meist mit indischen Wurzeln, die über die Jahrhunderte ihre eigene Kultur und ihren eigenen Slang herausgebildet haben. Kürzlich habe ich mit einem Studenten aus Mosambik gesprochen, der dieser Ethnie angehört. In seinen Augen sind Kapstadts Frauen in seinem Alter rassistisch, weil viele sich nicht vorstellen können, mit einem Nicht-Weißen auszugehen. Auf der anderen Seite würde sein Vater sich in einem Restaurant niemals von einem schwarzen Kellner bedienen lassen, sondern nach einem weißen oder farbigen fragen. Es ist nur ein Einzelfall, doch es wird viel pauschalisiert. Ein Weißer aus Namibia sagte kürzlich für sein Land: "Im Prinzip hassen die Schwarzen die Weißen, die Coloureds und die Weißen hassen alle."

Völlig verloren ist hier übrigens der pedantische Verfechter der Political Correctness. In Deutschland gibt es ja schon Auswüchse, nach denen die Bezeichnung "Schwarze" (Blacks) auf den rassistischen Index gesetzt wird. "Farbig" (Coloured) wird als weniger anstößig empfunden. Wer hier allerdings einen Schwarzen als Farbigen bezeichnet, bekommt eher eine Faust zu Gesicht als eine große Ladung Dankbarkeit für so viel Sensibiltät, weil die kulturellen Identitäten der Farbigen und der Schwarzen zu verschieden sind. In den USA liegt man mit der Bezeichung "Farbiger" übrigens auch daneben, wenn man beispielsweise einen Mexikaner als farbig bezeichnet.

Siya und Wise (zwei Schwarz) haben hier neulich hochemotional über das Wort Nigger diskutiert. Siya empfindet es als die größte Beleidigung, wenn ein Weißer ihn Nigger nennen würde. Für Wise ist dagegen kein Problem, wenn seine weißen Kumpels ihn zum Spaß so nennen. Und so kommt es, dass ich Wise ganz gerne mal mit "Wat up Nigga" begrüße. Nur Siya darf dann nicht in der Nähe sein.


White, Black, Coloured (von oben)

"Hey, du magst uns nicht" - Bussie und Michelle

Oft in emotionalen Diskussionen: Wise (sitzend) und Siya (in rot)